Psychiatriekritik

 
Viele Menschen mit psychischen Krisen wenden sich an das psychiatrische Hilfesystem in den Städten und Gemeinden und sind von dem Umgang dort mit ihnen nicht immer einverstanden. 

Gerade im Bereich der Zwangseinweisung und Zwangsbehandlung finden Übergriffe gegenüber Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen statt, die mit der Wahrung von Menschenrechten und der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar sind.

Menschen finden in den psychiatrischen Kliniken kaum verständnisvolles Personal, was sich um sie und ihre Problematik bedarfsgerecht kümmern kann. Personalunterbesetzung aber auch schlecht ausgebildetes Personal, ist oft Alltag in den Kliniken. Jedoch geht es auch um die grundsätzliche Einstellung zu Menschenrechten und Achtung der Menschenwürde, die vielfach auf der Strecke bleiben und bei Ärzt*innenn, Psychiater*innen, Psycholog*innen und Pflegepersonal nur unzureichend vorhanden sind. Gerade im Hinblick auf Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung gibt es hierzu sehr unterschiedliche Sichtweisen die meistens zu großen Verwerfungen zwischen Behandler*innen und Patient*innen führen. 

Wir nehmen als Verein hierzu eine kritische Haltung ein. Es wird Situationen geben in dem eine zeitlich begrenzte Zwangsunterbringung gerechtfertigt erscheint. Unsere Kritik bezieht sich jedoch darauf, dass die Unterbringungssituationen in den Kliniken meistens hinter den Mindeststandards von Gefangenen zurück bleiben, und dadurch eine Ungleichbehandlung entsteht, die nicht zu rechtfertigen ist. Zudem wird oft unterschätzt, dass gerade eine zwangsweise Unterbringung zu Verhaltensänderungen der Betroffenen führt, die nicht der Erkrankung an sich zugerechnet werden können, sondern Ausdruck der Gefangenschaft sind. Anders als Strafgegangene erhalten zwangsuntergebrachte Menschen in einer psychiatrischen Einrichtung, kein Protokoll der ihnen weggenommen oder in Verwahrung genommenen Sachen. 

Auch das Diagnoseverfahren ist oft willkürlich und nicht objektiv überprüfbar. Diagnosen können Menschen diffamieren und unglaubwürdig erscheinen lassen. Oft werden Diagnosen allein dazu benutzt Menschen zu kriminalisieren und zu maginalisieren.

Vielfach wird die angewendete Gewalt damit gerechtfertigt, dass eine angebliche Fremdgefährdung oder Eigengefährdung von den Patient*innen ausgehen würde. Unserer Erfahrung nach wird jedoch oft diese Gefährdung durch Provokation und autoritärem Auftreten gegenüber den Patient*innen erst ausgelöst. Aggressionen von Patient*innen gegen das Klinikpersonal werden oft von der Klinik schärfer dargestellt als die Situation wirklich war und es wird gerne etwas dazu erfunden, um von der eigenen Gewalttat abzulenken und um sie gegenüber anderen als verhältnismäßiger darstellen zu können.

Großer Kritikpunkt ist auch, dass weder vernünftige und effektive Rechtsschutzmöglichkeiten den Patient*innen zur Seite stehen, um sich gegen die gegen sie ausgeübte Gewalt zur Wehr zu setzen, noch dass aufgrund der Übermacht des Klinikpersonals, was sich selbst deckt, eine neutrale Überwachung der Zwangsanwendung möglich ist. Somit werden Patient*innen eine ungerechtfertigte Gewaltanwendung im Zweifel nicht beweisen oder glaubhaft machen können.

Weitere Kritik wird in der meist überdosierten Anwendung von Neuroleptikern und anderen Antipsychotikern gesehen, deren Wirkungsweise stark umstritten ist. Zudem sind die Langzeitschäden, Nebenwirkungen und Absetzungssymptomatiken so imens, dass bei der Verwendung solcher Medikamte stärkste Vorsicht geboten ist.

Wir beschränken uns jedoch nicht nur auf Kritik des Psychiatriesystems, sondern suchen Alternativen hierzu und richten unsere Kommunikation nach den Grundsätzen des "offenen Dialogs" aus. 

Schutz vor Psychiatriegewalt kann zumindest in Teilen eine Patienten- und Betreuungsverfügung bieten. Hierzu stellen wir in Kürze eine Musterverfügung bereit.

 

Wir setzen uns mit einer Petition an das Abgeordnetenhaus von Berlin für die Änderung des Gesetzes über die Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) ein. 

Jeder kann diese Petition gerne mitzeichnen.

 

Literaturtipp:

feministische Psychiatriekritik von Peet Thesing erschienen im Unrastverlag